Medizinisches Cannabis in Deutschland: So funktioniert das Apothekenmodell

Medizinisches Cannabis in Deutschland: So funktioniert das Apothekenmodell

Wie funktioniert das deutsche Apothekenmodell für medizinisches Cannabis?

Seit 2017 ist in Deutschland medizinisches Cannabis legal erhältlich – unter klar definierten Voraussetzungen und ausschließlich über Apotheken. Das sogenannte Apothekenmodell regelt den vollständigen Prozess von der Verschreibung durch Ärzt:innen bis zur Abgabe durch Apotheken. In diesem Beitrag erfährst Du alles Wichtige über die rechtlichen Rahmenbedingungen, den Ablauf, die Rolle der Krankenkassen und was Patient:innen beachten müssen.

Die gesetzliche Grundlage

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes "Cannabis als Medizin" am 10. März 2017 wurde der medizinische Einsatz von Cannabis auf Rezept ermöglicht. Damit wurde medizinisches Cannabis Teil der regulären Arzneimittelversorgung in Deutschland. Seither können Ärzt:innen medizinisches Cannabis in Form von getrockneten Blüten, Extrakten oder Arzneimitteln wie Dronabinol verordnen – vorausgesetzt, es liegt eine schwerwiegende Erkrankung vor.

Wer darf medizinisches Cannabis verschreiben?

In Deutschland dürfen alle niedergelassenen Ärzt:innen – unabhängig von ihrer Fachrichtung – Cannabisblüten oder Cannabisextrakte auf einem BtM-Rezept verschreiben. Voraussetzung ist:

  • eine schwerwiegende Erkrankung,
  • keine alternative, ausreichende Therapie verfügbar,
  • eine nachvollziehbare Aussicht auf Linderung oder Verbesserung der Symptome.

Einige Ärzt:innen zögern allerdings mit der Verordnung, häufig aus Unsicherheit über rechtliche und medizinische Grundlagen. Daher empfiehlt es sich, spezialisierte Cannabis Ärzte oder Schmerztherapeuten zu konsultieren.

Welche Cannabisprodukte sind erhältlich?

Die in Apotheken erhältlichen medizinischen Cannabisprodukte unterscheiden sich in Wirkstoffgehalt, Darreichungsform und Herkunft. Folgende Produkte stehen zur Verfügung:

Produktart Beispiele THC/CBD-Gehalt
Cannabisblüten Bedrocan, Pedanios, Aurora 5–25 % THC / 1–10 % CBD
Cannabisextrakte Standardisierte Öl-Tropfen je nach Produkt variabel
Dronabinol (THC) Reinstoff aus Apothekenherstellung 100 % THC
Synthetische Cannabinoide Nabilon, Marinol Pharmazeutisch hergestellt

So funktioniert die Abgabe in Apotheken

Mit einem gültigen BtM-Rezept können Patient:innen medizinisches Cannabis in Apotheken erhalten. Die Apotheke prüft das Rezept, stellt die passende Sorte bereit oder bestellt sie bei einem Großhändler. Alle Produkte müssen die Standards des Deutschen Arzneibuchs (DAB) erfüllen. Dies betrifft insbesondere:

  • die Reinheit des Produkts,
  • den Wirkstoffgehalt (THC und CBD),
  • die mikrobiologische Qualität (keine Schimmel oder Keime).

Kostenübernahme durch die Krankenkasse

Patient:innen haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die Kostenübernahme von medizinischem Cannabis durch ihre gesetzliche Krankenkasse:

  • schwerwiegende Erkrankung
  • keine Alternativtherapie verfügbar
  • Erfolgsaussicht der Cannabistherapie belegt

Dazu muss vor Beginn der Therapie ein Kostenerstattungsantrag gestellt werden. Die Krankenkasse hat bis zu 3 Wochen (bzw. 5 Wochen bei Einschaltung des MDK) Zeit, den Antrag zu bewilligen oder abzulehnen. Wird der Antrag abgelehnt, können die Kosten privat übernommen werden. Eine Verordnung bleibt dennoch möglich.

Lieferengpässe & Sortenvielfalt

Da viele Sorten aus dem Ausland importiert werden (z. B. Kanada, Niederlande, Portugal), kann es zu Lieferengpässen bei medizinischem Cannabis kommen. Apotheken bieten dann Alternativen mit ähnlichem Wirkstoffprofil an. Die Sortenvielfalt ist dennoch groß – mit unterschiedlichen THC/CBD-Profilen, um die Therapie individuell anzupassen.

Welche Apotheken führen medizinisches Cannabis?

Nicht jede Apotheke führt medizinisches Cannabis. Es empfiehlt sich, spezialisierte Cannabis-Apotheken zu suchen, die über Erfahrung, Lagerkapazitäten und Beratungswissen verfügen. Viele bieten auch einen Lieferservice oder Versand unter Einhaltung der BtM-Richtlinien an.

Unterschiede zum Eigenanbau nach Legalisierung

Seit dem 01.04.2024 dürfen Erwachsene in Deutschland unter bestimmten Bedingungen Cannabis privat anbauen. Dies betrifft jedoch nur den Freizeitgebrauch. Für medizinisches Cannabis bleibt die Versorgung über das Apothekenmodell erhalten – u. a. wegen:

  • kontrollierter Qualität
  • ärztlicher Begleitung
  • möglicher Kostenübernahme

Vorteile des Apothekenmodells

  • medizinisch kontrollierte Anwendung
  • standardisierte Qualität
  • Rechts- und Versorgungssicherheit
  • Beratung durch Fachpersonal
  • Kostenerstattung möglich

Herausforderungen im Alltag

Trotz klarer rechtlicher Regelungen gibt es praktische Hürden:

  • lange Bearbeitungszeiten bei Krankenkassen
  • Ärztliche Unsicherheit oder Ablehnung
  • Stigmatisierung von Cannabispatient:innen
  • hohe Kosten bei Privatzahlung

Was Patienten wissen sollten

Wer eine Behandlung mit medizinischem Cannabis erwägt, sollte:

  1. mit dem Arzt eine ausführliche Anamnese und Beratung führen,
  2. offen über bisherige Therapieversuche sprechen,
  3. bei Bedarf eine Zweitmeinung einholen,
  4. einen fundierten Kostenübernahmeantrag stellen (ggf. mit ärztlicher Stellungnahme),
  5. sich eine kompetente Apotheke suchen.

Fazit

Das deutsche Apothekenmodell für medizinisches Cannabis schafft einen klar geregelten Zugang zu einem potenziell sehr wirkungsvollen Medikament. Es sorgt für Qualität, Sicherheit und in vielen Fällen auch für finanzielle Entlastung durch die Krankenkassen. Dennoch ist Aufklärungsarbeit notwendig – sowohl bei medizinischem Fachpersonal als auch in der Öffentlichkeit –, um die Potenziale dieser Therapieform besser zu nutzen.

Quellen: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Gesetz „Cannabis als Medizin“ (2017), Apotheken Umschau, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)